Genschere
Mit einem gentechnischen Verfahren, der Gen-Schere, lassen sich Zellen des Immunsystems gezielt scharf machen. Chinesische Wissenschaftler haben diese Methode erstmals an einem Patienten mit aggressivem Lungenkrebs getestet.
- Gen-Schere macht Immunzellen gegenüber Krebszellen unverwundbar.
- Veränderte Immunzellen werden im Labor vermehrt und dem Patienten injiziert.
- Die Gen-Schere, CRISPR–Cas9, könnte zur Behandlung von Krankheiten optimal sein, die Anwendung an Spermium und Eizelle ist jedoch umstritten.
Die sogenannte Gen-Schere, CRISPR–Cas9, gilt momentan als vielversprechende Technik, DNA präzise zu verändern, das Erbgut also minutiös zu manipulieren. Vergleichbar mit einem Skalpell lässt sich mit diesem Verfahren jede Sequenz, jeder Buchstabe auf der DNA
- ansteuern,
- auswählen,
- zerschneiden,
- ausschalten oder
- durch andere DNA-Teile ersetzen.
Der Eingriff ins Erbgut (Genchirurgie) eröffnet ganz neue Dimensionen in der Behandlung vieler Erbkrankheiten, aber auch Aids und Krebs:
- Bei Aids soll die molekulare Gen-Schere die Sequenzen auf Immunzellen herausschneiden, die als Rezeptor für HI-Viren fungieren.
- Gegen Krebs könnte CRISPR–Cas9 auf verschiedenen Wegen hilfreich sein, etwa das Protein PD 1 von den T-Zellen des Immunsystem entfernen. Das Protein ist ein Rezeptor und löst, wenn es aktiviert wird, den programmierten Zelltod aus. Docken Krebszellen darauf an, stirbt die Zelle sofort. Die Krebszellen haben dadurch freie Bahn. Wird mit der Gen-Schere PD 1 jedoch entfernt, verändert das die Immunzellen wesentlich – sie werden aggressiver und unverwundbar gegenüber Krebszellen.
Gen-Schere zum ersten Mal an einem Menschen getestet
Diese Methode haben jetzt chinesische Onkologen der Sichuan-Universität in Chengdu an einem Patienten getestet, wie das Fachjournal „Nature“ berichtet. Der Patient ist an einem großzelligem Lungenkarzinom erkrankt, das bereits Metastasen gebildet hat. Für die Studie wurde dem Patienten Blut entnommen und daraus Immunzellen herausgefiltert. Mit der Gen-Schere wurde PD 1 von ihnen entfernt. Die genetisch veränderten Immunzellen wurden nun kultiviert, vermehrt und dem Patienten injiziert.
Zehn Patienten erhalten zwei bis vier Injektionen mit ihren eigenen, veränderten Immunzellen. Das Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Lu You, hofft nun, dass sich die Immunzellen wie erwartet verhalten: Die Krebszellen angreifen und vernichten.
Aus Rücksichtnahme auf den Patienten bewahren die Ärzte über seinen Zustand Stillschweigen.
Sie planen aber, insgesamt zehn Patienten auf diese Weise zu behandeln, jeweils mit zwei bis vier Injektionen. Die Teilnehmer an dieser kleinen Studie sollen dann sechs Monate überwacht werden, um Wirkung und Nebenwirkung dieser völlig neuen Therapie zu überwachen.
Umstrittener Einsatz der Gen-Schere an den Keimzellen
Doch auch wenn die Gen-Schere bei Krankheiten ganz neue Therapien eröffnet: Die Methode ist nicht unumstritten. Sie ermöglicht gezielte Manipulation an Pflanzen, Tieren und Menschen. Besonders in der Kritik steht CRISPR–Cas9, im Zusammenhang mit Manipulation am Erbgut in Spermien und Eizellen. Die Technik ermöglicht, die Keimzellen so zurecht zu schneiden, dass maßgefertigte Designer-Babys entstehen könnten.
Seit der Veröffentlichung der Methode haben Forscher die Genschere immer wieder erfolgreich getestet und weiterentwickelt. So heilten sie mithilfe des Universalwerkzeugs unter anderem Mäuse von der erblich bedingten Muskeldystrophie, korrigierten eine Alzheimer-Mutation in menschlichen Zellen und reparierten den Gendefekt der Sichelzellen-Anämie. Dank der vielversprechenden Resultate steht in China nun die erste klinische Studie in den Startlöchern, eine weitere soll kommendes Jahr in den USA beginnen.
Keine fehlerfreie Methode
Trotz der Euphorie funktioniert die Genschere jedoch keineswegs fehlerfrei. Manchmal löst sie Mutationen an Stellen des Genoms aus, die eigentlich unberührt bleiben sollten. Wissenschaftler nutzen deshalb Algorithmen, die vorhersagen, welche Regionen im Erbgut am wahrscheinlichsten von solchen Effekten betroffen sind – und schauen sich diese Bereiche dann genauer an. Kellie Schaefer von der Stanford University und ihre Kollegen warnen nun jedoch:
Längst nicht alle ungewollten Veränderungen lassen sich mit diesem Verfahren aufspüren.