Gehirnmetastasen – Bahnbrechende Neuigkeiten
Bisher galt es als sehr schwierig, mittels medikamentöser Behandlung in Bereich des Gehirns vorzudringen, da es dafür notwendig ist, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.
Die Blut-Hirn-Schranke ist die Grenze zwischen Blut und Zentralnervensystem. Durch die Zellen, die der Gefäßwand außen anliegen, können nur bestimmte Stoffe ins Gehirn übertreten. Dadurch wird das Gehirn vor schädlichen Stoffen, Krankheitserregern und Giften geschützt. Die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke ist bei Fieber, durch bestimmte Bakteriengifte sowie bei manchen Hirntumoren sowie bei Sauerstoffmangel erhöht.
Eine österreichische Studie unter der Leitung der MedUni Wien zeigte, dass sich Gehirnmetastasen bei BrustkrebspatientInnen durch eine neuartige Wirkstoffklasse teilweise oder sogar ganz zurückbilden.
Es handelt sich dabei um eine chemische Verbindung aus Antikörper und Chemotherapie, die nach den aktuellen Erkenntnissen eine gänzlich neue Perspektive in der onkologischen Forschung und zielgerichteten Therapie eröffnet. Die Studienergebnisse wurden im Top-Journal Nature Medicine publiziert und gelten als bahnbrechend in der Behandlung von Gehirnmetastasen, einer gefürchteten Komplikation bei Krebserkrankungen.
In die Studie eingeschlossen wurden 14 Frauen und ein Mann mit HER2-positivem Brustkrebs und Gehirnmetastasen, die an der Klinischen Abteilung für Onkologie von MedUni Wien und AKH Wien betreut wurden. Dabei untersuchte das österreichische Forschungsteam um Matthias Preusser und Rupert Bartsch (Klinische Abteilung für Onkologie der Universitätsklinik für Innere Medizin I von MedUni Wien und AKH Wien) erstmals den Wirkstoff Trastuzumab-Deruxtecan (T-Dxd) als möglichen neuen Therapieansatz bei jenen Fällen, bei denen Brustkrebs ins Gehirn streut.
Das Resultat: Bei 73,3 Prozent der PatientInnen schrumpften die Metastasen durch T-Dxd, bei zwei von 15 PatientInnen (13,3 Prozent) waren sie sogar durch bildgebende Verfahren nicht mehr nachweisbar. Neben diesem überaus positiven Ergebnis stellten die ForscherInnen eine gute Verträglichkeit fest:
Während der Behandlungszeit verschlechterten sich weder Gehirnfunktion noch Lebensqualität der TeilnehmerInnen. Darüber hinaus ist T-Dxd auch im EU-Raum bereits zugelassen: „Es kann also umgehend in onkologischen Spezialeinheiten Österreichs und im internationalen Raum zur Therapie von Brustkrebspatient:innen mit Gehirnmetastasen eingesetzt werden“, betont Studienleiter Matthias Preusser.
50 Prozent entwickeln Gehirnmetastasen
Mit mehr als 5000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Brustkrebs in Österreich die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Mit einem Anteil von weniger als einem Prozent kann der Tumor auch Männer treffen. 15 Prozent der Betroffenen leiden an HER2-positivem Brustkrebs. Bei dieser aggressiven Tumorart fungieren HER2 (Humane Epidermale Rezeptoren) als Bindungsstellen für Wachstumsfaktoren, die die Krebszelle zur Teilung und damit zu Wachstum und Metastasen antreiben. Bei bis zu 50 Prozent der PatientInnen mit metastasiertem HER2-positivem Brustkrebs streut der Tumor ins Gehirn.
Konjugat aus Antikörper und Chemotherapie
Für die Behandlung von inoperablem oder metastasiertem HER2-positivem Brustkrebs wurde T-Dxd 2021 von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassen. Es handelt sich dabei um eine chemische Verbindung (Konjugat) aus einem Antikörper gegen HER2 (Trastuzumab) und einer Chemotherapie (Deruxtecan). Bisher war nicht bekannt, ob das neuartige Konjugat bei Gehirnmetastasen wirksam sein kann. Auf Basis der aktuellen Studienergebnisse werden nun weitere Untersuchungen zur neuen Wirkstoffklasse geplant: „Unsere Erkenntnisse eröffnen gänzlich neue Perspektiven für die klinische Forschung und Behandlung von Gehirnmetastasen bei Brustkrebs – und möglicherweise weiteren Tumorarten“, blickt Matthias Preusser optimistisch in die Zukunft der Krebstherapie.
Die TUXEDO-1 Studie wurde von der Klinischen Abteilung für Onkologie der Universitätsklinik für Innere Medizin I von MedUni Wien und AKH Wien geleitet und in Kooperation mit der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin, der Universitätsklinik für Radioonkologie, dem Klinischen Institut für Pathologie, der Universitätsklinik für Neurochirurgie, der Universitätsklinik für Frauenheilkunde von MedUni Wien und AKH Wien sowie der 1. Abteilung für Innere Medizin/Onkologie des St. Josef Krankenhauses Wien, der Abteilung für Innere Medizin, Hämatologie und internistische Onkologie des Landesklinikums Wiener Neustadt und dem Ordensklinikum Barmherzige Schwestern Elisabethinen Linz durchgeführt.
(www.meduniwien.ac.at)